Schiffbau Industrie

In unserem halbjährlichen Verbandsmagazin informieren wir Sie über die neuesten Trends und Entwicklungen in Schiffbau und Meerestechnik sowie der maritimen Branche insgesamt. In jeder Ausgabe beleuchten wir die aktuellen Erfolge unserer Industrie und stellen einzelne Mitgliedsunternehmen und ihre Geschäftsbereiche sowie erfolgreiche Projekte vor.

 

Montag, 26. August 2024 - 11:45

Schiffbau Industrie 02/2024

Freitag, 12. Januar 2024 - 11:45

Schiffbau Industrie 01/2024

Wo bleibt das Positive?

Das gleichlautende berühmte Gedicht von Erich Kästner wurde 1930 verfasst. „Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.“ Knapp 100 Jahre später scheint es sich ähnlich anzufühlen. Geopolitische Konflikte, unzureichende Fortschritte beim Klimaschutz und auch innenpolitisch wenig Gründe für Euphorie.
Darum hier ein paar Argumente gegen die schlechte Stimmung: Die Neubaubestellungen im Schiffbauweltmarkt bleiben das dritte Jahr in Folge auf einem hohen Niveau und sorgen für eine hohe Auslastung in der deutschen maritimen Zulieferindustrie. Auch Europas Werften verzeichnen wieder vermehrtes Interesse der Kunden und verbuchten bis Ende Oktober laut Clarksons Neubauaufträge i.H.v. 7,1 Milliarden Dollar und damit nach zehn Monaten bereits knapp 50 Prozent im Vergleich zum vollen Vorjahr. Der Kreuzfahrtmarkt, das mit Abstand wichtigste Marktsegment der zivilen Schiffbauindustrie in Europa und in Deutschland, berichtet neue Buchungsrekorde und starke Umsätze. Das Interesse an Neubaubestellungen in diesem Markt ist zurück. 

Zu den positiven Entwicklungen in den Clarksons-Statistiken – sprich bei Handelsschiffen – haben deutsche Werften allerdings bislang nicht nennenswert beigetragen; dennoch ist die Auslastung auch bei vielen hiesigen Schiffbauern aktuell durchaus hoch. Die Erfolge bei diversen Aufträgen für öffentliche Auftraggeber aus dem In- und Ausland haben
dazu spürbar beigetragen. 

Erfreulich auch die Nachricht, dass der Ausbau der regenerativen Energieerzeugung offshore für die deutsche Schiffbauindustrie zu einem gewichtigen zusätzlichen Standbein wird. Die Botschaft wurde nicht nur als Absichtserklärung auf der Nationalen Maritimen Konferenz im September vernommen, sondern hat sich inzwischen auch in ersten konkreten Bauverträgen manifestiert. Die gewaltigen Ausbaupläne, gepaart mit der Erkenntnis, dass diese durch verlässliche, sichere Partner innerhalb der EU angepackt werden müssen, schürten entsprechende Erwartungen. Die deutsche Schiffbauindustrie hat die zurückliegenden Monate intensiv genutzt, um an mehreren Standorten dezidierte Produktionskonzepte für den Bau großer Konverterplattformen zu entwickeln und mit entsprechenden Investitionsplänen zu hinterlegen. Sowohl Industrie als auch Politik sind 2023 in diesem Bereich wichtige Schritte gegangen.
Wesentliche Punkte unseres Ende 2022 an Bundesminister Habeck übergebenen VSM-Papiers „Schiffbau für Offshore Windenergie“ werden also umgesetzt.

Doch positive Impulse setzt die maritime Industrie nicht nur bei der Produktion erneuerbarer Energie. Zu der Problemlösung trägt sie auch auf der Emissionenseite bei. Die Klimagasemissionen der Schifffahrt gelten als „Hard to Abate“, als schwierig zu mindern. Insbesondere für lange Strecken machen nur erneuerbare Brennstoffe Sinn, die aber auf absehbare Zeit nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. Während der Ausbau der entsprechenden Produktionskapazitäten vorangetrieben wird, müssen alle Möglichkeiten der Kraftstoffeinsparung ausgeschöpft werden. Dass die fahrende Flotte diesbezüglich noch sehr viel Luft nach oben hat, stellt für alle Hersteller von Komponenten, Systemen, ganzen Schiffen ebenso wie für deren Nachrüstung ein riesiges Potenzial dar. Unsere Mitglieder bauen die Technik von morgen schon jetzt, wie Sie auch in dieser Ausgabe der Schiffbauindustrie wieder nachlesen können. 

Damit das alles auch leistbar ist, brauchen wir motivierte, gut ausgebildete Frauen und Männer. Ausbildung wurde in unserer Branche immer schon großgeschrieben, denn hohe Ansprüche lassen sich nur mit Top-Leuten realisieren. Das weiß die Schiffbauindustrie schon lange und kann darum auf schon vorhandene exzellente Ausbildungsstrukturen und -zahlen aufbauen. Und wir helfen auch unseren Kunden dabei!

Schiffbau und Meerestechnik in Deutschland hat schon viele Krisen erlebt. Durch Engagement und Erfindungsgeist ist es immer wieder gelungen, die Zukunft zu gestalten, weil wir uns auf unsere Stärken verlassen können. Unsere Fähigkeiten werden gebraucht. Sie sind ein starkes Stück Deutschland!
Überzeugen Sie sich selbst.

Donnerstag, 1. September 2022 - 10:15

Schiffbau Industrie 02/2022

Weil wir’s können!

Alle zwei Jahre trifft sich die globale Schiffbauindustrie in Hamburg zu ihrer Weltleitmesse – inzwischen zum 30. Mal. Ein großartiges Jubiläum! Das ist keine Selbstverständlichkeit in einer Branche, die immer stärker von Asien dominiert wird.

Schiffe, anders als z.B. Sportboote, werden auf Messen nicht verkauft, und auch zur Kontaktanbahnung zwischen Werft und Reeder bräuchte es ein solches Großevent nicht wirklich. Die SMM ist im Wesentlichen ein Ort, um sich über die neuesten Technologieentwicklungen in der extrem diversen, komplexen Wertschöpfungskette zu informieren und die entsprechenden Netzwerke auszubauen. Rund 800 Unternehmen allein aus Deutschland sind unter den mehr als 2000 Ausstellern anzutreffen. Der große Vorteil der Messe: Die Anzahl wichtiger Geschäftsgespräche, die in dieser einen Woche stattfindet, wären sonst wohl in drei Monaten kaum zu schaffen. Und natürlich trifft man auch viele alte Freunde, auch der Spaß kommt nicht zu kurz!

Dass es immer wieder gelingt, die ganze Schiffbauwelt nach Hamburg zu holen, ist zunächst einmal eine tolle Leistung des professionellen Messeteams. Es ist jedoch auch Ausdruck einer nach wie vor sehr leistungsfähigen Industrie hierzulande, die es immer wieder schafft, die Technologieführerschaft zu verteidigen – und die dringender gebraucht wird denn je. Denn die maritime Wirtschaft steckt mitten in einer gewaltigen Umbruchphase. Die maritime Energiewende ist ein Epochenwechsel, die Abkehr vom Schweröl als dem Einheitskraftstoff der Schifffahrt unausweichlich. Das Gesamtsystem Schiff muss neu gedacht werden. Genauso fundamental ist der Wandel bei der Energieproduktion offshore: Erneuerbare expandieren rasant, bei Öl und Gas wird dagegen das Thema Rückbau langsam an Bedeutung gewinnen. Der immer noch anzutreffende Irrtum, Schiffbau sei eine Altindustrie, ist jedenfalls nichts anderes als eine gewaltige Bildungslücke.

Aber diese Bildungslücke ist leider im dem Meer abgewandten Teil der Bundesrepublik gar nicht so selten. Auch deshalb sind wir als Industrie des Gastgeberlandes gut beraten, die SMM zu schätzen und zu pflegen. Sie steht repräsentativ für unsere Technologieführerschaft. Es gibt keine bessere Gelegenheit, sowohl der Öffentlichkeit, einschließlich dem so wichtigen Nachwuchs, als auch den politischen Entscheidungsträgern die Vielfalt und Breite unserer Technologiebranche näherzubringen.

Für den VSM wie für jeden Aussteller bedeutet die SMM eine intensive Arbeitswoche. Zahlreiche Rundgänge für Delegationsgruppen aus Ministerien, den Bundestagsfraktionen, den Ländern, aber auch für Marinedelegationen und unseren Kollegen aus aller Welt stehen an. Öffentlichkeitsarbeit und Nachwuchswerbung sind weitere Prioritäten des Verbandes. And last, not least: auch wir werben neue Kunden, erläutern unser Leistungsangebot für die Mitglieder, denn als Branche werden wir nur gehört, wenn wir zusammenstehen!

Wir freuen uns auf eine aufregende Messe!

Donnerstag, 9. Juni 2022 - 10:15

Schiffbau Industrie 01/2022

Zeit für Industriepolitik!

In der deutschen Schiffbauindustrie sind über 2000 Firmen aktiv.
Sie erzielen etwa 35 Milliarden Euro Umsatz und bieten 200 000 Beschäftigten hochwertige Arbeitsplätze. Beeindruckende Zahlen – allerdings für das Bruttoinlandsprodukt der Bundesrepublik kein Schwergewicht wie Autos oder Chemie. Die oft betonte strategische Bedeutung der Branche lässt sich nicht allein an den direkten volkswirtschaftlichen Kennzahlen festmachen.

Die maritime Industrie sorgt dafür, dass wir die 70 Prozent unseres Planeten, die mit Meeren bedeckt sind, nutzen können. An Rohstoffen und Energie mangelt es im europäischen Binnenmarkt. Der Seeweg ist darum die Existenzgrundlage für eine global so vernetzte Volkswirtschaft wie Deutschland. Nie wurde das deutlicher als jetzt.

Putins nicht für möglich gehaltener Angriffskrieg auf eine europäische Nation verursacht unfassbares menschliches Leid. Er hat Schockwellen ausgelöst und verkrustete Denkmuster aufgebrochen. Die eben erst gebildete Bundesregierung musste in kürzester Zeit Beschlüsse von enormer Tragweite treffen, aus denen der Rüstungshaushalt in der Wahrnehmung hervorstach. Der so groß erscheinende Betrag von 100 Milliarden Euro relativiert sich schnell, wenn man sich die Friedensdividende von geschätzten 450 Milliarden Euro Einsparungen bei der Bundeswehr vor Augen führt. Tatsächlich sind damit lediglich die bereits in Friedenszeiten identifizierten, aber lange vernachlässigten Fähigkeitsanforderungen der Bundeswehr abgedeckt. Der Umstand, dass die Marine auf 50 Jahre alte Schiffe angewiesen ist, spricht für sich.

Eine vielleicht viel größere Zäsur erleben wir in der Wirtschaftspolitik: Obwohl die strategischen Fehler der Vergangenheit selten so offensichtlich waren, widersteht der Bundeswirtschaftsminister der politisch weitverbreiteten Versuchung, diese auszuweiden, und konzentriert sich stattdessen auf die vor uns liegenden Herausforderungen. In bewundernswerter Klarheit vermittelt Robert Habeck unbeirrbar einen Kurs, der alles andere als leicht verdauliche Kost ist – und das nicht nur für seine Partei.

Der moralische Impuls, den sicher sehr viele Menschen empfinden, verlangt den sofortigen Stopp aller russischen Energieeinfuhren. Wir befinden uns jedoch nicht nur in einer akuten, sondern in einer dauerhaft neuen Lage. Die Konfrontation zwischen Autokratie und Demokratie wird uns noch lange herausfordern. Deshalb ist es sicherlich richtig, alle Maßnahmen klug abzuwägen und eine nachhaltige Schwächung durch impulsives Handeln tunlichst zu vermeiden.

Die schneller steigenden Energiekosten durch die Substitution billiger russischer Energieträger wird die Energiewende beflügeln. Sowohl die kurzfristige fossile Alternative als auch regenerative Lösungen werden künftig noch deutlich stärker als bisher von der maritimen Wirtschaft abhängen. Die rasante Entwicklung rund ums Thema LNG und schwimmende Terminals (FSRU) gibt darauf einen kleinen Vorgeschmack. Die gewaltigen Ausbaubaupläne der Offshore-Windenergie nicht nur in Deutschland dürften diesmal auf verlässlicheren Beinen stehen als vor 15 Jahren. Hinzu kommen zusätzliche Energieimporte von nachhaltigen Energieträgern und der Transport und die Einspeisung von CO 2 in norwegische Kavernen. Last but not least wird sich auch der Umbau der Handelsflotte auf klimaneutrale Schifffahrt nicht auf die lange Bank schieben lassen.

Um nicht nahtlos von einer autokratischen Abhängigkeit in die nächste zu fallen, muss die Energiewende verlässlich und planbar auch eine Wertschöpfungswende enthalten. Wer Chinas Staatspropaganda verfolgt, kann daran eigentlich keinen Zweifel haben.

Montag, 29. November 2021 - 6:00

Schiffbau Industrie II/2021

Erkenntnisse von gestern für die Herausforderungen von morgen

Die 20. Legislaturperiode beginnt, eine Ära endet. 16 Jahre hat Frau Merkel Deutschland als Bundeskanzlerin gedient und sich große Verdienste um das Ansehen unseres Landes und unser weltpolitisches Gewicht erworben. Für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie wird man ein differenzierteres Bild zeichnen müssen. Könnte man mit dem Wissen von heute die Uhr noch einmal um 16 Jahre zurückzudrehen, die maritime Politik wäre vermutlich eine andere. 2006 umfasste die deutsche Handelsflotte gut 3000 Schiffe. Deutsche Banken waren Weltmarktführer in der Schiffsfinanzierung und deutsche Werften lieferten 70 Neubauten ab, rund die Hälfte an inländische Kunden. Die Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette schien prächtig zu funktionieren. In einer allgemeinen „China Euphorie“ schien das wirtschaftliche Wachstum nur eine Richtung zu kennen. Doch diese Illusion zerschellte schon ein Jahr später: Der Lehmann Schock ließ nicht nur die amerikanische Immobilienblase zerplatzen. Auch das KG-Kartenhaus der deutschen Schifffahrt brach in sich zusammen und hinterließ in den Folgejahren tiefe Spuren in den öffentlichen Haushalten. Auf rund 50 Milliarden € wird das Defizit der Landesbanken aus der Schiffsfinanzierung taxiert, das am Ende vom Steuerzahler auszubügeln war. Finanziert wurde damit vor allem Wertschöpfung in China und Korea. Zweifelsohne wären produktivere Lösungen zur Stärkung des maritimen Standorts möglich gewesen.

Die Koalitionäre heute sehen sich mit einer völlig veränderten Ausgangslage konfrontiert. Die mangelnde Nachhaltigkeit der globalen Wirtschaft lässt sich nicht mehr auf die lange Bank schieben. Die Naivität, mit der so mancher in China nur einen riesigen Wachstumsmarkt sah, ist der Erkenntnis um die Systemrivalität gewichen. Und die angespannte Sicherheitslage, v.a. im asiatisch-pazifischen Raum, hat die geopolitischen Koordinaten inzwischen massiv verschoben.

All das, die Erkenntnisse aus den vergangenen Jahren und die neuen vor uns liegenden Herausforderungen, muss jetzt bei der Gestaltung der Politik der 20. Legislaturperiode Berücksichtigung finden.

Konkret heißt das, die maritime Wirtschaft muss zurückkehren zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit, damit wir gemeinsam einen modernen, nachhaltigen maritimen Standort schaffen. Die deutsche Handelsflotte hat sich seit 2006 halbiert. Sie darf nicht weiter schrumpfen. Um beim Aufbau einer klimaneutralen Flotte mitwirken zu können und nicht noch tiefer in Abhängigkeit zu China zu geraten, müssen deutsche Werften die Anzahl produzierter Einheiten deutlich nach oben schrauben. Dafür werden nicht nur alle Standorte gebraucht, sondern auch erhebliche Investitionen nötig. Auch wenn die im vergangenen Jahr abgelieferten 13 Seeschiffe aus Deutschland alles Beispiele bester deutscher Ingenieurskunst darstellen. Mit solch niedrigen Stückzahlen lässt sich eine vollständige Wertschöpfungskette hier am Standort nicht dauerhaft aufrechthalten. Leider beschränkt sich dieser Trend nicht auf Deutschland, sondern ist symptomatisch für die ganze EU. Wir brauchen darum ein konsequentes Flottenprogramm – Made in Europe - damit die maritime Energiewende in Europa zügig umgesetzt und die „Systemfähigkeit Schiffbau“ langfristig gesichert werden kann. Die nötigen Investitionen werden die Wirtschaftsakteure allein nicht schultern können. Die Einbeziehung der Schifffahrt in den Emissionshandel könnte helfen, allerdings nur, wenn die Mittel vollständig für entsprechende maritime Investitionen zur Verfügung stehen. Gemeinsam müssen wir alles daransetzen, dass die nächste politische Ära eine positive maritime Bilanz für Deutschland und die EU hervorbringt.

Dienstag, 27. April 2021 - 7:30

Schiffbau Industrie I/2021

Umdenken! Eine maritime Wachstumsagenda für Europa

Rund drei Viertel des zivilen Schiffbauauftragsbuchs hierzulande, ebenso wie in der gesamten EU, wurde von Kreuzfahrtreedern platziert. Doch diese Kunden werden in den kommenden Jahren keine neuen Schiffe bestellen. Wir stehen vor einem riesigen Auftragsloch. Doch es geht um mehr als eine kurzfristige Überbrückung fehlender Nachfrage. Wir müssen uns ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, ob wir in Deutschland, gar in ganz Europa 2030 noch in signifikanten Umfang zivile Seeschiffe bauen werden.

Die anspruchsvollsten Schiffe und Boote der Welt entstehen auf deutschen Werften und werden mit deutschen Maschinen und Anlagen ausgerüstet. Wir verfügen über exzellentes Know-How in der Schiffbauindustrie, das gerade jetzt für die maritime Transformation dringend gebraucht wird. Und trotzdem verlieren wir seit Jahrzehnten Substanz. Wie kann das sein?

Die akute Bedrohungslage zwingt uns, schonungslos die strukturellen Ursachen zu untersuchen und anzupacken.

Seit so vielen Jahren berichten wir von den gewaltigen Wettbewerbsverzerrungen im Schiffbaumarkt. Viele können es nicht mehr hören und nicht alle trauen den Fakten. Trotzdem bleiben die Fakten wie sie sind: Schiffe fallen komplett durch das WTO-Instrumentarium, das für fairen Handel sorgen soll.  Europa hat die Attacken auf den Schiffbau aber nicht nur wehrlos hingenommen, sondern sogar noch durch eigene Förderung unterstützt. Der mittlere zweistellige Milliardenbetrag, mit dem wir Steuerzahler für Schiffsfinanzierungen der Landesbanken haften, wurde ganz überwiegend zur Finanzierung von Wertschöpfung in Asien verwendet.

Dabei verfügt Europa über den größten maritimen Binnenmarkt der Welt. Fast die Hälft aller Schiffsbestellungen werden von europäischen Reedern platziert. Dennoch darbt der Intra-EU Schiffsverkehr. Diese Flotte ist im Schnitt über 20 Jahre alt. Die Margen sind dünn, das Eigenkapital vieler Küstenschiffer noch viel dünner.

Gemeinsam können wir eine moderne, effiziente, sicherere und vor allem klimaneutrale maritime Verkehrsinfrastruktur für Europa schaffen. Europas ambitionierte Klimaziele können wir realisieren. Den globalen Konsens müssen wir dabei gar nicht aufs Spiel setzen. Aber wir können zeigen, dass wir es schneller schaffen! Im Intra-EU Güterverkehr wird über ein Drittel auf dem Wasser bewegt, weit mehr als doppelt so viel wie auf der Schiene. Das muss sich auch in den staatlichen Investitionen niederschlagen, denn Schiffe sind bekanntermaßen das energieeffizienteste Transportmittel.

Mit einer entsprechenden Förderkulisse entsteht eine berechenbare Binnennachfrage. Diese Grundlast würde nicht nur unsere Fähigkeiten in der maritimen Industrie auf breiter Front absichern, sondern auch die Grundlage für Investitionen in die Realisierung von Skaleneffekten legen. 

Ist das Europa First? Ja, ein bisschen, aber in freundlicher Manier. Warum sollten wir nicht nutzen, was wir haben. Schließlich sind Europas Küsten mehr als viermal so lang wie die Chinas und mehr als dreimal so lang wie die der USA.

Let’s go for it!

Donnerstag, 10. September 2020 - 9:00

Schiffbau Industrie I/2020

Stunde der Macher

Diese erste echte Pandemie in der globalisierten Welt lässt keine Regierung und kein Unternehmen unberührt. Die Auswirkungen in ihrem Umfang und ihrer Vielfalt hätte niemand voraussagen können.

Ganze Branchen, die gestern noch kerngesund und hochprofitabel waren, müssen tiefgreifende Restrukturierungen vornehmen, wenn sie eine Zukunft haben wollen. Eine Welt aus krassen Gegensätzen hat sich aufgetan: Lieferando statt Lieblingsitaliener, Camping statt Cluburlaub, Fahrrad statt Flugzeug. In der maritimen Industrie ist die gestiegene Beliebtheit des Urlaubs auf dem eigenen Segelboot eine gute Nachricht für die Bootswerften. Als Ersatz für den Ausfall der Bestellungen aus dem Kreuzfahrsegment kann diese Nachfrage aber leider nicht viel ausrichten. Und nicht nur dort fehlen die Kunden. So gut wie alle kommerziellen Marktsegmente sind durch extrem schwache Nachfrage geprägt. Marine- und Behördenschiffe bilden zum Glück einen verlässlichen Sockel. Wenigstens kommt dem Schiffbau in Europa zugute, dass vor Ausbruch der Pandemie die Auftragsbücher vielerorts gut gefüllt waren, sodass die Arbeit nicht unmittelbar ausgeht. Das sieht in vielen asiatischen Werften schon ganz anders aus. Dort liefen schon letztes Jahr eine Reihe von Werften leer.

Doch unser Produktionsportfolio in Deutschland aus komplexen Spezialschiffen erfordert auch deutlich längere Vorlaufzeiten. Mit dem Bau des 100. Frachtschiffes einer Serie kann eine Werft morgen beginnen, während die Erstellung der Konstruktionspläne für einen komplexen Prototypen oft deutlich mehr als ein Jahr in Anspruch nimmt. Darum ist auch bei uns Eile geboten, um Lösungen zur Überbrückung des Nachfragelochs zu finden. Die Nachfrage wird sich erholen, da sind sich alle Experten einig. Aber bis es soweit ist, wird uns die Durststrecke noch einiges abverlangen.

Die Parlamentarier und Ministerien in Berlin und in den Ländern haben beeindruckende Arbeit geleistet und Deutschland bisher gut durch den Sturm geführt. Auch die spezifische Problematik der maritimen Industrie wurde erkannt und berücksichtigt. Die Bemühungen um die beschleunigte Vergabe öffentlicher Aufträge wird mit Hochdruck vorangetrieben. Allerdings muss auch allen Beteiligten klar sein, dass öffentliche Aufträge allein nicht reichen werden. In Deutschland summiert sich die Produktion von zivilen Seeschiffen auf über 3 Mrd. € pro Jahr. Zusammen mit Marine- und Binnenschiffen, Reparatur und Umbau und dem oben erwähnten Bootsbau steht das doppelte zu Buche. Ohne kommerzielle Kunden kann dieses Volumen und damit Beschäftigung für 200.000 gut ausgebildete Fachkräfte nicht aufrechterhalten werden.

Damit der Wumms aus dem Konjunkturprogramm kurzfristig Wirkung erzielen kann, sollen in erster Linie vorhandene Förderinstrumente verstärkt werden. Auch das sind willkommene Ansätze, zweifelsohne. Um spürbar mehr Aufträge zu stimulieren wären allerdings ganz andere Förderquoten nötig. Die Programme zielen richtigerweise auf saubere oder innovative Schiffe ab. Dies aber erhöht auch den Aufwand für den Reeder, der sich in der aktuellen Marktlage oft nicht darstellen lässt. Der VSM hat darum vorgeschlagen, ein europäisches Flottenprogramm aufzulegen, das durch eine ausreichende Förderhöhe mehr umweltfreundlicher Schiffe für Verkehre innerhalb Europas in Fahrt kommen. Die umfangreichen Mittel des europäischen Konjunkturprogramms wären dort mehr als sinnvoll eingesetzt. Ob die europäische Maschinerie es schafft hierfür zügige Umsetzung zu sorgen? Eine gewaltige Herausforderung, aber auch eine tolle Chance, den Menschen zu zeigen, dass Europa funktioniert, wenn es darauf ankommt. Wenn die Pandemie eines gelehrt hat, dann wie schnell die Dinge bewegt werden können, wenn es nötig ist. Es ist bisher die Stunde der Macher. Hoffentlich bleibt das noch eine Weile so.

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Dienstag, 3. Dezember 2019 - 16:45

Schiffbau Industrie II/2019

Patente Lösungen für Umwelt- und Klimaschutz

Die maritime Innovationsoffensive voranbringen

Das Thema „IMO 2020“ war sicher eines der meist diskutierten in der Schifffahrt im ablaufenden Jahr. Die Regelungen betreffen strengere Grenzwerte für Schwefeloxidemissionen (SOX), die ab dem 1.1.2020 in Kraft treten. Diese Maßnahme löst erhebliche Unsicherheit in der Branche aus. Eine volkswirtschaftliche Studie mutmaßte jüngst sogar, dass womöglich signifikante Verwerfungen für die Weltkonjunktur die Folge sein könnten. Dies ist aus einer Reihe von Gründen bemerkenswert: Erstens, die entsprechende Entscheidung wurde schon vor elf Jahren im Oktober 2008 einstimmig von den 174 Mitgliedsstaaten der IMO getroffen. Die Umstellung kommt also keineswegs plötzlich. Zweitens, technisch ist die Einhaltung der Grenz­ werte unproblematisch, denn alle Schiffsmotoren laufen auch mit schwefelärmeren Kraftstoffen ohne Einschränkungen. Die Nachrüstung technischer Einrichtungen ist nicht zwingend erforderlich, kann aber dazu beitragen, Kraftstoffkosten zu sparen. Und drittens, die neuen Grenzwerte reduzieren den SOX­Ausstoß der Schifffahrt zwar spürbar, jedoch nicht annähernd in demselben Umfang, wie dies für den Straßenverkehr bereits in den 1980er­Jahren umgesetzt wurde. Der zulässige Schwefelgehalt im Schiffskraftstoff ist nach der Umstellung immer noch um ein 500-Faches (bzw. 100-Faches in entsprechen­ den Schutzgebieten) höher als beim Straßendiesel. Es dürfte also klar sein, dass hiermit lediglich ein Schritt auf dem Weg zu einer sauberen Schifffahrt beschritten wird, dem noch viele weitere folgen müssen.

Es mag ein Zeichen unserer Zeit sein, dass innerhalb eines Jahres ein Schulmädchen zur Ikone einer Massenbewegung werden kann. Das Ausmaß an technisch-naturwissenschaftlicher Ahnungslosigkeit, das manche öffentliche Debatte prägt, lässt Experten bisweilen verzweifeln und den Eindruck halb garen Aktionismus entstehen. Daraus abzuleiten, bei  alldem könnte es sich womöglich um eine kurzfristige Modeerscheinung handeln, wäre allerdings eine fatale Fehleinschätzung. Ein breiter weltweiter Konsens seriöser Wissenschaftler untermauert den Handlungsdruck. Deshalb ist es gut und richtig, dass sich die maritime Industrie im Zuge des kommenden europäischen Forschungsrahmenprogramms Horizon Europe zu dem klaren Ziel einer emissionsfreien Schifffahrt bekannt hat: Bis 2030 sollen die ersten Zero­Emission­Schiffe in Fahrt gehen und bis 2050 für alle Anwendungen zur Verfügung stehen. Forschungsmittel in Höhe von bis zu einer Milliarde Euro sind dafür im Gespräch.

Im VSM stellen wir uns für diese gewaltigen Aufgaben neu auf. Mit der Integration des Center of Maritime Technologies (CMT) in den VSM wollen wir eine konsequente Ausrichtung auf die Forschungs-­ und Förderbedarfe der Mitglieder erreichen und dafür ein umfassendes Dienstleistungsangebot  schaffen. Das CMT­ Team verfügt über viel Erfahrung und exzellente Expertise bei Projektanbahnung, ­unterstützung und ­management von anwendungsorientierter maritimer Forschung gerade auch im europäischen Kontext. Unternehmen, die konkrete Forschungsbedarfe decken wollen und dabei Unterstützung benötigen, finden im CMT kompetente Ansprechpartner – sowohl technisch durch entsprechende Partner als auch administrativ insbesondere bei der Nutzung geeigneter Förderprogramme. So leisten wir einen noch klarer sichtbaren Beitrag zu der seit vielen Jahren propagierten maritimen Innovationsoffensive – eine wichtig Voraussetzung, auch um Zero Emission Shipping in die Realität umzusetzen.

Dass der Nachholbedarf der Schifffahrt nicht an mangelnden Ideen der maritimen Industrie hängt, zeigen zahlreiche Berichte auch in diesem Heft.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Dr. Reinhard Lüken

Hauptgeschäftsführer,

Verband für Schiffbau und Meerestechnik e.V.

 

 

 

Mittwoch, 22. Mai 2019 - 13:30

Schiffbau Industrie I/2019

11. NMK und Blue Europe

Innovationen für saubere Meere

Liebe Leserinnen und Leser,

die elfte Ausgabe der Nationalen Maritimen Konferenz (NMK) steht an. Same procedure as every (second) year? Diese Konferenzen sind nicht nur ein Privileg und ein Symbol politischer Wertschätzung, sie bilden für die maritime Politikgestaltung jedes Mal einen wichtigen Meilenstein. Im Vorfeld legt die Bundesregierung stets einen Bericht zur maritimen Wirtschaft vor und setzt sich dabei intensiv mit den aktuellen Herausforderungen der Branche auseinander. Wenige Wochen vor der NMK debattiert der Deutsche Bundestag die Beschlussanträge der Fraktionen zur maritimen Wirtschaft und schreibt damit der Regierung Handlungsaufträge ins Stammbuch. Die NMK selbst kann keine Beschlüsse generieren, aber das festgezurrte Datum ist ein Abliefertermin, an dem sich alle vorgeschalteten Prozesse orientieren. Durch die Rede der Bundeskanzlerin erhalten schließlich zentrale Aussagen der NMK einen verbindlichen Charakter.

Zwei Faktoren prägen die 11. NMK besonders: Sie findet erstmals in Süddeutschland statt und in der Woche der Wahlen zum Europäischen Parlament. Beides ist kein Zufall. Der Veranstaltungsort Friedrichshafen soll unterstreichen, dass die maritime Wirtschaft für das ganze Land ein wichtiges Thema ist, nicht nur für den Norden. Der Zeitpunkt vor der Europawahl betont die Bedeutung europäischer Politik für die Zukunft dieser globalen Branche.

Offene Märkte sind das Lebenselixier der maritimen Wirtschaft. Der europäische Binnenmarkt und die EU-Handelsabkommen, mit zurzeit 62 Partnern weltweit, haben dafür unschätzbare Beiträge geleistet. Gleichzeitig treten immer öfter aggressive Wettbewerber auf den Plan bei denen der Staat aktiv mithilft und die so europäischen Anbietern kaum Chancen lassen. Die Welthandelsorganisation hat dagegen oft kein wirksames Instrumentarium. Die akuten Handelskonflikte zeigen das immer deutlicher.

In Europa haben wir vor mehr als 60 Jahren erkannt, dass ein gemeinsamer Markt gemeinsame Regeln braucht. Seitdem greifen die Wettbewerbshüter in Brüssel bei Wettbewerbsverzerrungen zumindest innerhalb der EU durch. Jetzt wird es Zeit, dass Europa auch beim Rest der Welt konsequent auftritt. Die NMK kann in diesem Zusammenhang für die maritimen Belange ein wichtiges Zeichen setzen: Deutschland will eine starke maritime Industrie und ist bereit, sich dafür gemeinsam mit den europäischen Partnern ins Zeug zu legen.

Mittwoch, 9. Januar 2019 - 14:00

Schiffbau-Industrie II/2018

Know-how macht den Unterschied

 

Liebe Leserinnen und Leser,

wir blicken auf ein Jahr zunehmender politischer Unsicherheiten zurück, die nicht nur grundsätzlich die wirtschaftliche Stimmungslage beeinflussen, sondern auch sehr konkrete Auswirkungen auf das internationale Wirtschaftsgeschehen haben. Die handelspolitischen Kampfansagen der USA an China und fast alle anderen Handelspartner sowie an die internationalen Institutionen, die unsäglichen Debatten zum Brexit und nicht zuletzt auch die schwierige Regierungsbildung in Deutschland sowie die schwachen Wahlergebnisse der Koalitionspartner erzeugen für die Wirtschaft eine instabile Ausgangslage. Erfreulicherweise öffnen sich für Deutschland, dank der guten konjunkturellen und haushaltspolitischen Lage, Handlungsspielräume, um auf Entwicklungen zu reagieren und sich auf künftige Szenarien vorzubereiten. Zusammen mit dem angekündigten Ende der Ära Merkel stehen wir vor herausfordernden aber auch spannenden Zeiten. Wird die Regierungskoalition die gesamte Legislaturperiode halten? Gelingt der Brexit ohne größere Schäden auf beiden Seiten des Kanals? Wächst der Einfluss der nationalistischen Kräfte nach der Europawahl? Lässt sich eine Eskalation der Handelskonflikte vermeiden und der Multilateralismus retten? Große Fragen, die viel politisches Kapital beanspruchen werden. Es wird viel Kraft kosten sicherzustellen, dass unsere maritimen Themen dabei nicht zu kurz kommen.

Denn auch in der maritimen Wirtschaft zeichnen sich immer deutlicher epochale Veränderungen ab: der Aufstieg Chinas auch in die High-Tech Segmente der Schiffbau- und Meerestechnikindustrie, die europäische Konsolidierung im Marineschiffbau, die Notwendigkeit Schiffsemissionen massiv zu senken, die voranschreitende digitale Revolution. Mehr denn je müssen die maritimen Akteure große Unsicherheiten bewältigen, verstärkt in neue Technologien, in Forschung, Entwicklung und Innovation investieren und neue Formen der Zusammenarbeit entwickeln. Dank unserer Innovationskraft bergen all diese Themen riesige Chancen. Aber ist der maritime Standort Deutschland hierfür schon optimal aufgestellt?

Ohne Zweifel gibt es herausragende Fähigkeiten in den Unternehmen. In vielen maritimen Feldern stammt führende Technologie aus Deutschland. Gleichzeitig haben wir jedoch schon erheblich an Substanz und an manchen Stellen auch an Know-How eingebüßt. In einigen Volumenmärkten lässt sich die Systemkompetenz nicht mehr wettbewerbsfähig abbilden. Bei der Konsolidierung der Zuliefermärkte sind deutsche Unternehmen attraktive Übernahmeziele. Über eigene große Akteure auf diesem Feld verfügen wir immer seltener. Auch bei den Rahmenbedingungen kann ein eindeutig positiver Trend nicht konstatiert werden. In Sachen Steuerentlastung oder Förderinstrumente nimmt der maritime Wirtschaftsstandort Deutschland sicher keinen Spitzenplatz ein. Mit einem ausgeprägten Fachkräftemangel, wachsender Bürokratie und bisweilen schwieriger Zusammenarbeit mit öffentlichen Auftraggebern, um nur einige Punkte zu nennen, drohen wir im internationalen Vergleich weiter zurückzufallen. Daran müssen wir dringend arbeiten, solange die Ausgangslage noch verhältnismäßig gut ist.

Eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Auch 2019 wird es nicht langweilig. So ein Glück!