Salbungsvolle Worte statt klarer Entscheidungen

Montag, 29. November 2021 - 14:15

IMO beim Klimaschutz weiter auf Schleichfahrt

Hamburg 29. November 2021: Wer gehofft hatte, dass der maritime Rückenwind von COP26 auch der Klimagas-Strategie der International Maritime Organization (IMO) Leben einhauchen würde, wurde letzte Woche bitter enttäuscht. Obwohl sich in Glasgow zahlreiche Staaten und wichtige Vertreter der Maritimen Wirtschaft zu ambitionierterem und schnellerem Klimaschutz bekannt hatten, konnte im IMO-Umweltausschuss (MEPC 77) keinerlei Einigung hinsichtlich einer Revision der Klimaschutzziele, des Arbeitsplans oder gar der Verschärfung bestehender Anforderungen erzielt werden.

Zweifel an Handlungsfähigkeit der IMO

Beschlossen wurde lediglich die Protokollformulierung, zukünftig „eine Revision der Anfangsstrategie vorzunehmen“. Diese soll jedoch weiterhin erst im Jahr 2023 in Angriff genommen werden. Selbst ein unverbindlicher und weitgehend faktischer Resolutionsentwurf der bedrohten Inselstaaten Kiribati, Marshall Island und Solomon Island, die Notwendigkeit der Beendigung maritimer Klimagas-Emissionen zur Umsetzung des 1,5°-Zieles schon bis 2050 anzuerkennen, fand keine Mehrheit. In der vorangegangenen Debatte hatten sich die Meinungsverschiedenheiten der 174 Mitgliedsstaaten verfestigt. So nährt die IMO Zweifel an ihrer eigenen Handlungsfähigkeit. 

Dabei ist ein klarer Handlungsrahmen dringend nötig. Die Ära des Schweröls - seit Jahrzehnten der Standardkraftstoff der gesamten Welthandelsflotte - geht unweigerlich zu Ende. Zukünftig werden unterschiedliche Alternativen je nach Fahrprofil, Verfügbarkeit und Preis zur Anwendung kommen. Hersteller bieten bereits eine Reihe technischer Lösungen an. Allerdings ist die Kraftstoffverfügbarkeit in den meisten Fällen noch nicht gewährleistet und einheitliche Vorschriften für deren Nutzung fehlen. 

Fatale Aussichten für eine klimaneutrale Schifffahrt

So ist es nicht verwunderlich, wenn auch heute noch rund 90% aller Schiffsbestellungen konventionelle Antriebe umfassen. Berücksichtigt man eine Bauzeit von drei Jahren und eine Nutzungsdauer der Schiffe von durchschnittlich über 25 Jahren, sind dies fatale Aussichten für eine klimaneutrale Schifffahrt bis 2050.

Der technische Geschäftsführer des VSM und CESA-Repräsentant bei der IMO, Dr. Ralf Sören Marquardt, beklagt die Diskrepanz zwischen Vorschriftenentwicklung und Stand der Technik: „Der Klimawandel ist ein globaler Tsunami, für dessen Abwendung es bereits schifftechnische Lösungen und Instrumente für deren Implementierung gibt. Klimaneutralität ist bis 2050 nur erreichbar, wenn der Einsatz verfügbarer Energieeffizienztechnologien und CO2-armer Treibstoffe jetzt für neue und existierende Schiffe verbindlich eingefordert und deren Einsatz massiv unterstützt wird.“

Davon ist die IMO jedoch selbst in Hinblick auf die Senkung von – in polaren Regionen besonders klimaschädlichen – Rußemissionen noch weit entfernt. Denn auch beim sog. Black Carbon reichte es bei MEPC 77 nur zu einer Resolution, die an Mitgliedsstaaten und Schiffsbetreiber appelliert, auf die Nutzung von Schweröl in oder nahe der Arktis zu verzichten.

VSM-Hauptgeschäftsführer Dr. Reinhard Lüken betont insbesondere europäische Chancen, maritimen Klimaschutz und schiffbauliche Wettbewerbsfähigkeit zu steigern: Die EU muss jetzt zeigen, dass sie es besser kann. Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass sich die künftige Bundesregierung laut Koalitionsvertrag für ein europäisches Flottenprogramm einsetzen will. Konsequente und pragmatische Rahmenbedingungen können für Europa eine klimaneutrale maritime Verkehrsinfrastruktur schaffen und gleichzeitig eine Investitionswelle für eine erfolgreiche Industrie auslösen.“