Schiffbau Industrie 01/2024
Wo bleibt das Positive?
Das gleichlautende berühmte Gedicht von Erich Kästner wurde 1930 verfasst. „Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.“ Knapp 100 Jahre später scheint es sich ähnlich anzufühlen. Geopolitische Konflikte, unzureichende Fortschritte beim Klimaschutz und auch innenpolitisch wenig Gründe für Euphorie.
Darum hier ein paar Argumente gegen die schlechte Stimmung: Die Neubaubestellungen im Schiffbauweltmarkt bleiben das dritte Jahr in Folge auf einem hohen Niveau und sorgen für eine hohe Auslastung in der deutschen maritimen Zulieferindustrie. Auch Europas Werften verzeichnen wieder vermehrtes Interesse der Kunden und verbuchten bis Ende Oktober laut Clarksons Neubauaufträge i.H.v. 7,1 Milliarden Dollar und damit nach zehn Monaten bereits knapp 50 Prozent im Vergleich zum vollen Vorjahr. Der Kreuzfahrtmarkt, das mit Abstand wichtigste Marktsegment der zivilen Schiffbauindustrie in Europa und in Deutschland, berichtet neue Buchungsrekorde und starke Umsätze. Das Interesse an Neubaubestellungen in diesem Markt ist zurück.
Zu den positiven Entwicklungen in den Clarksons-Statistiken – sprich bei Handelsschiffen – haben deutsche Werften allerdings bislang nicht nennenswert beigetragen; dennoch ist die Auslastung auch bei vielen hiesigen Schiffbauern aktuell durchaus hoch. Die Erfolge bei diversen Aufträgen für öffentliche Auftraggeber aus dem In- und Ausland haben
dazu spürbar beigetragen.
Erfreulich auch die Nachricht, dass der Ausbau der regenerativen Energieerzeugung offshore für die deutsche Schiffbauindustrie zu einem gewichtigen zusätzlichen Standbein wird. Die Botschaft wurde nicht nur als Absichtserklärung auf der Nationalen Maritimen Konferenz im September vernommen, sondern hat sich inzwischen auch in ersten konkreten Bauverträgen manifestiert. Die gewaltigen Ausbaupläne, gepaart mit der Erkenntnis, dass diese durch verlässliche, sichere Partner innerhalb der EU angepackt werden müssen, schürten entsprechende Erwartungen. Die deutsche Schiffbauindustrie hat die zurückliegenden Monate intensiv genutzt, um an mehreren Standorten dezidierte Produktionskonzepte für den Bau großer Konverterplattformen zu entwickeln und mit entsprechenden Investitionsplänen zu hinterlegen. Sowohl Industrie als auch Politik sind 2023 in diesem Bereich wichtige Schritte gegangen.
Wesentliche Punkte unseres Ende 2022 an Bundesminister Habeck übergebenen VSM-Papiers „Schiffbau für Offshore Windenergie“ werden also umgesetzt.
Doch positive Impulse setzt die maritime Industrie nicht nur bei der Produktion erneuerbarer Energie. Zu der Problemlösung trägt sie auch auf der Emissionenseite bei. Die Klimagasemissionen der Schifffahrt gelten als „Hard to Abate“, als schwierig zu mindern. Insbesondere für lange Strecken machen nur erneuerbare Brennstoffe Sinn, die aber auf absehbare Zeit nicht in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. Während der Ausbau der entsprechenden Produktionskapazitäten vorangetrieben wird, müssen alle Möglichkeiten der Kraftstoffeinsparung ausgeschöpft werden. Dass die fahrende Flotte diesbezüglich noch sehr viel Luft nach oben hat, stellt für alle Hersteller von Komponenten, Systemen, ganzen Schiffen ebenso wie für deren Nachrüstung ein riesiges Potenzial dar. Unsere Mitglieder bauen die Technik von morgen schon jetzt, wie Sie auch in dieser Ausgabe der Schiffbauindustrie wieder nachlesen können.
Damit das alles auch leistbar ist, brauchen wir motivierte, gut ausgebildete Frauen und Männer. Ausbildung wurde in unserer Branche immer schon großgeschrieben, denn hohe Ansprüche lassen sich nur mit Top-Leuten realisieren. Das weiß die Schiffbauindustrie schon lange und kann darum auf schon vorhandene exzellente Ausbildungsstrukturen und -zahlen aufbauen. Und wir helfen auch unseren Kunden dabei!
Schiffbau und Meerestechnik in Deutschland hat schon viele Krisen erlebt. Durch Engagement und Erfindungsgeist ist es immer wieder gelungen, die Zukunft zu gestalten, weil wir uns auf unsere Stärken verlassen können. Unsere Fähigkeiten werden gebraucht. Sie sind ein starkes Stück Deutschland!
Überzeugen Sie sich selbst.