Schiffbau Industrie II/2019

Dienstag, 3. Dezember 2019 - 16:45

Patente Lösungen für Umwelt- und Klimaschutz

Die maritime Innovationsoffensive voranbringen

Das Thema „IMO 2020“ war sicher eines der meist diskutierten in der Schifffahrt im ablaufenden Jahr. Die Regelungen betreffen strengere Grenzwerte für Schwefeloxidemissionen (SOX), die ab dem 1.1.2020 in Kraft treten. Diese Maßnahme löst erhebliche Unsicherheit in der Branche aus. Eine volkswirtschaftliche Studie mutmaßte jüngst sogar, dass womöglich signifikante Verwerfungen für die Weltkonjunktur die Folge sein könnten. Dies ist aus einer Reihe von Gründen bemerkenswert: Erstens, die entsprechende Entscheidung wurde schon vor elf Jahren im Oktober 2008 einstimmig von den 174 Mitgliedsstaaten der IMO getroffen. Die Umstellung kommt also keineswegs plötzlich. Zweitens, technisch ist die Einhaltung der Grenz­ werte unproblematisch, denn alle Schiffsmotoren laufen auch mit schwefelärmeren Kraftstoffen ohne Einschränkungen. Die Nachrüstung technischer Einrichtungen ist nicht zwingend erforderlich, kann aber dazu beitragen, Kraftstoffkosten zu sparen. Und drittens, die neuen Grenzwerte reduzieren den SOX­Ausstoß der Schifffahrt zwar spürbar, jedoch nicht annähernd in demselben Umfang, wie dies für den Straßenverkehr bereits in den 1980er­Jahren umgesetzt wurde. Der zulässige Schwefelgehalt im Schiffskraftstoff ist nach der Umstellung immer noch um ein 500-Faches (bzw. 100-Faches in entsprechen­ den Schutzgebieten) höher als beim Straßendiesel. Es dürfte also klar sein, dass hiermit lediglich ein Schritt auf dem Weg zu einer sauberen Schifffahrt beschritten wird, dem noch viele weitere folgen müssen.

Es mag ein Zeichen unserer Zeit sein, dass innerhalb eines Jahres ein Schulmädchen zur Ikone einer Massenbewegung werden kann. Das Ausmaß an technisch-naturwissenschaftlicher Ahnungslosigkeit, das manche öffentliche Debatte prägt, lässt Experten bisweilen verzweifeln und den Eindruck halb garen Aktionismus entstehen. Daraus abzuleiten, bei  alldem könnte es sich womöglich um eine kurzfristige Modeerscheinung handeln, wäre allerdings eine fatale Fehleinschätzung. Ein breiter weltweiter Konsens seriöser Wissenschaftler untermauert den Handlungsdruck. Deshalb ist es gut und richtig, dass sich die maritime Industrie im Zuge des kommenden europäischen Forschungsrahmenprogramms Horizon Europe zu dem klaren Ziel einer emissionsfreien Schifffahrt bekannt hat: Bis 2030 sollen die ersten Zero­Emission­Schiffe in Fahrt gehen und bis 2050 für alle Anwendungen zur Verfügung stehen. Forschungsmittel in Höhe von bis zu einer Milliarde Euro sind dafür im Gespräch.

Im VSM stellen wir uns für diese gewaltigen Aufgaben neu auf. Mit der Integration des Center of Maritime Technologies (CMT) in den VSM wollen wir eine konsequente Ausrichtung auf die Forschungs-­ und Förderbedarfe der Mitglieder erreichen und dafür ein umfassendes Dienstleistungsangebot  schaffen. Das CMT­ Team verfügt über viel Erfahrung und exzellente Expertise bei Projektanbahnung, ­unterstützung und ­management von anwendungsorientierter maritimer Forschung gerade auch im europäischen Kontext. Unternehmen, die konkrete Forschungsbedarfe decken wollen und dabei Unterstützung benötigen, finden im CMT kompetente Ansprechpartner – sowohl technisch durch entsprechende Partner als auch administrativ insbesondere bei der Nutzung geeigneter Förderprogramme. So leisten wir einen noch klarer sichtbaren Beitrag zu der seit vielen Jahren propagierten maritimen Innovationsoffensive – eine wichtig Voraussetzung, auch um Zero Emission Shipping in die Realität umzusetzen.

Dass der Nachholbedarf der Schifffahrt nicht an mangelnden Ideen der maritimen Industrie hängt, zeigen zahlreiche Berichte auch in diesem Heft.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Dr. Reinhard Lüken

Hauptgeschäftsführer,

Verband für Schiffbau und Meerestechnik e.V.