IMO erreicht Meilenstein beim Schutz geistigen Eigentums

Freitag, 10. Juni 2016 - 15:00

 

Bessere Balance zwischen Design-Transparenz und IPR-Schutz  durch Ship Construction File

Hamburg/Brüssel Juni 2016: Die Internationale Maritime Organization (IMO) hat auf der 96. Sitzung des Schiffssicherheitsauschusses (MSC) den „Ship Construction File Industry Standard (SCF IS)“ anerkannt, der seit 2007 unter Einbeziehung aller maritimen Akteure - den internationalen Verbänden von Schiffbau, Reedern und Klassifikationsgesellschaften - entwickelt wurde.

Der neue Standard wird die Umsetzung der verbindlichen IMO-Anforderungen nach Design-Transparenz fördern, die besagen, dass neue Massengutfrachter und Öltanker mit detaillierten Hintergrundinformationen zum Schiffsdesign ausgestattet werden müssen, um die Sicherheit des Schiffes während der gesamten Lebensdauer zu gewährleisten. Der Standard kommt zum rechten Zeitpunkt, um die weltweit einheitliche Umsetzung von sogenannten „Goal-based Standards (GBS)“ sicherzustellen, die zum 1.Juli 2016 in Kraft treten.

Der SCF enthält sensible Dokumente über Design, Know-how und die Ergebnisse von Strukturfestigkeitsberechnungen und Schiffbauproduktion. Er bietet praktische Lösungen, um den Zielkonflikt zwischen Design-Transparenz und dem Schutz geistigen Eigentums aufzulösen.

Der Schutz geistigen Eigentums gehört zu den grundlegenden Rahmenbedingungen für die Schiffsicherheit und den Umweltschutz; denn moderne Schiffe mit stetig wachsender Komplexität, können auf moderne Technologie nicht verzichten. „Die erheblichen Investitionen der Industrie müssen gegen Produktpiraterie geschützt werden, um den Wettbewerbsvorteil der innovativen europäischen Hersteller zu schützen“, erklärt Dr. Ralf Sören Marquardt, VSM-Geschäftsführer und IMO-Vertreter des europäischen Schiffbauverbandes CESA, die Motivation der Schiffbauer, diese Initiative intensiv zu unterstützen.

Das SCF definiert den Umfang der zur Verfügung gestellten SCF-Informationen und sorgt für einen sicheren und dennoch benutzerfreundlichen Zugang für die Schiffsführung ("SCF Onboard") unter Berücksichtigung der betrieblichen Anforderungen. Darüber hinaus werden Richtlinien und Beispielprozeduren für die sichere Aufbewahrung von hochsensiblen Design- und Prüfungsunterlagen dargestellt („SCF Supplement Ashore“), die in einem geschützten Onshore-SCF Archivcenter aufbewahrt werden sollen. Das Archiv-Center funktioniert nicht nur als der Hüter des "SCF Supplement Ashore", sondern bietet auch einen Backup-Service für "SCF Onboard" in digitalem Format.

Obwohl der SCF bisher für Massengutfrachter und Öltanker entwickelt wurde, können die Richtlinien und Modelle auch auf andere Schifftypen angewendet und für andere Zwecke genutzt werden, bei denen IPR-Probleme und Know-how-Abflüsse drohen. Als weitere Anwendungsgebiete kommen hinzu: Die IMO “Guidelines for the approval of alternatives and equivalents” (MSC/Circ.1455) und die „EEDI Verification Guidelines“ (MEPC.254 (67)), die bereits den IPR-Schutz für sensible EEDI-Verifizierungsdokumente einfordern.

Alternative Bauformen komplexer Schiffstypen und besonders energieeffiziente Schiffe bilden das wirtschaftliche und technologische Rückgrat der europäischen Schiffbau- und Zulieferindustrie. Daher müssen sich innovative Werften und Komponentenhersteller im Hinblick auf ein europäisches Archivcenter, auf die Unterstützung der europäischen Institutionen in Bezug auf die Sicherung des Know-hows und die Förderung der Technologieführerschafft, verlassen können.

Bisher werden SCF Archivcenter nur in asiatischen Schiffbauländern entwickelt. Class NK hat ein kommerzielles Angebot bereits bei MSC 96 vorgestellt. “Es wäre nach 10 Jahren Entwicklungsarbeit ein merkwürdiges Ergebnis, wenn europäische Werften gezwungen wären, ihre grünen Tanker- und Bulker-Designs, EEDI-Optimierungen oder neuesten Kreuzfahrtschiff-Innovationen an asiatische Archive zu geben”, kommentiert Jing Shen, IPR-Beauftragte und SCF Koordinatorin von CESA den Status Quo.

„Durch die Anerkennung des SCF IS durch die IMO und die mögliche Ausweitung auf alternative Designs und EEDI-Verifizierungen wird der Weg für den verbesserten Schutz des geistigen Eigentums im Schiffbau geebnet. Ein Archivcenter, das von einer kompetenten und zuverlässigen Institution in Europa betrieben wird, würde das hiesige Schutzniveau deutlich erhöhen“, fasst Christophe Tytgat, CESA-Generalsekretär, die optimistische IPR-Perspektive zusammen.